Hintergründe
Mary Island
Einwanderung in die USA
© Jonathan Philippi 2013
Einwanderung in die USA
Sam erklärte, dass die Einreise nicht immer so einfach sei, wie er und
seine Kinder sie gerade erlebten. Da hat er recht.
Als die USA sich mehr und mehr zu einem Einwandererland entwickelten,
beschloss man um 1880, die Immigration zu begrenzen.
Alle Passagiere sollten zuerst Kontrollen passieren.
Damals gab es noch keine Flugzeuge und die Schiffe liefen nur die großen
Häfen an. Der Größte lag in New York. Dieser wurde von den
europäischen und amerikanischen Linien grundsätzlich angelaufen. Und
so nutzte man eine an sich wertlose Insel vor den Toren der Stadt und
baute ein Haus darauf.
Von nun an musste jeder hier durch. Oder fast jeder, dazu später mehr.
Die Insel hieß: Ellis Island.
Man gab ihr den Spitznamen: Insel der Tränen, Ilse of tears.
Die Einreisewilligen liefen zuerst eine hohe Treppe hinauf, wobei Ärzten
sie begutachteten. Diejenigen, die schnauften oder es gar nicht schafften,
wurden gleich aussortiert. Später stellte man Fragen in Englisch, und wer
die nicht beantworten konnte, hatte Pech.
Am 1. Januar 1892 öffneten sich die Tore von Ellis Island. Die Erste, die
die eisernen Türen durchschritt, war Annie Moore aus Irland. Sie war
fünfzehn Jahre.
Viel mehr ist über sie nicht bekannt. Sie heiratete einen Deutschen und
starb bereits 1924, mit gerade mal 47 Jahren, da war sie 11-fache Mutter.
1993 errichtete man ihr zu Ehren eine Bronzestatue auf Ellis Island.
1943 wurde Ellis Island als Einreisezentrum geschlossen, nun versorgte
man verwundete Soldaten, 1954 wurde die Institution ganz dicht gemacht.
Angeblich reisten 17 Millionen Menschen hier ein, die Zahlen schwanken
erstaunlicherweise.
Aber zurück zu Annie Moore. Am 21. Dezember 1891 betrat sie mit ihren
zwei jüngeren Brüdern das Schiff S.S. Nevada in Queenstown (heute
Cobh, Irland), kam am 31.12. an und wurde als erste durchgelassen.
Sie folgte ihren Eltern, die vorgereist waren. Nun stellt euch mal Folgendes
vor.
Ohne Handy, ohne Telefon, ohne Nachricht. Nur das Notwendigste
einpacken, zwei kleine Brüder an die Hand nehmen, auf ein Schiff, in ein
fernes Land und darauf hoffen, dass man Mama und Papa dort
wiederfindet. Wenn nicht ... There is no way back!
Annie floh angeblich vor dem Hunger in Irland, egal was sie und ihre
beiden Brüder erwartete, es war allemal besser, als zu Hause zu bleiben.
Ich schrieb weiter oben, dass fast alle Einwanderer Ellis Island passieren
mussten. Wer nicht?
Ihr könnt es euch sicher denken: Die Passagiere der ersten und zweiten
Klasse wurden gleich nach New York gefahren. Diese wurde nicht
untersucht oder mussten einen sich Test unterziehen, der sicherstellen
sollte, dass man nicht schwul oder lesbisch oder gar eine Prostituierte war.
Die übrigen ab der dritten Klasse (es gab sogar eine Vierte!) hatten zu
beweisen, dass sie nicht senil oder krank waren und dass sie in der Lage
wären, sich mit den amerikanischen Werten zu identifizieren.
Kurz, man musste auf Ellis demonstrieren, dass man wert war,
eingelassen zu werden. „Ilse of Tears.“
Das ist bei uns in Deutschland nicht anders, auch heute nicht. Auch wir
verlangen von denen, die Deutsche werden wollen, sehr viel.
Darüber sollten wir alle nachdenken